„Chancen – Landwirtschaft weitergedacht“ lautete der Titel des dritten Fendt Nachhaltigkeitsforums in Marktoberdorf, das Ende November stattgefunden hat. Dabei haben Landwirtinnen und Landwirte aus ganz Deutschland berichtet, wie sie ihre Betriebe zukunftsfähig aufgestellt haben, wie sie die Chancen durch Mut und Unternehmergeist aufgegriffen haben.
„Chancen werden oft aus der Notwendigkeit der Veränderung geboren“, sagte Fendt-Chef Christoph Gröblinghoff zum Auftakt der Veranstaltung. „Mit dem Wort verbinde ich Vorwärtsdenken. Ich bin gespannt zu hören, welche nachhaltigen Konzepte die Landwirtinnen und Landwirte entwickelt haben, um ihre Betriebe in die nächste Generation zu führen.“
Wie Ackerbauern neue Wege gehen
Durch gesetzliche Vorgaben, Witterungsereignisse oder volatile Preise ist in den letzten Jahren viel Bewegung in die Anbauplanung gekommen. Um auf fehlende Niederschläge und gleichermaßen Starkregen zu reagieren, hat etwa Landwirt Karsten Twietmeyer aus der Uckermark seine Fruchtfolge erweitert. Auf dem 2.500 ha großen Ackerbaubetrieb arbeitet er derzeit mit neun Hauptfrüchten und drei „Ausweichfrüchten“, wie er sagte. So vielseitige Fruchtfolgen erfordern eine detaillierte Planung: „Ich überlege genau, welche Frucht auf den Boden und in die Folge passt. Mit Exoten fange ich erst mal klein an. Den Vermarktungsweg überlege ich mir möglichst schon vorher“, erklärte Karsten Twietmeyer. Weitere Effekte, wie z. B. die Tiefenlockerung durch Soja, das Aufschließen von Phosphat im Boden durch die Wurzeln der Lupine oder die effektivere Gräserbekämpfung durch den häufigen Wechel zwischen Winterungen und Sommerungen, will Twietmeyer dabei auch monetär bewerten. Dabei ist er stets offen gegenüber Neuem: Zukünftig kann er sich vorstellen, Quinoa in sein Programm aufzunehmen.
Schweinemäster und Landtechnik-Fan Markus Schulze Wehninck aus dem Münsterland setzt seit einigen Jahren verstärkt auf Feldgemüse. Nicht nur die Deckungsbeiträge seien reizvoll gewesen, auch die Nachfrage von Unternehmen aus den benachbarten Niederlanden sei stark angestiegen. Während der Betrieb schon länger im Kartoffelanbau aktiv ist, kommen Kulturen wie Möhren, Erbsen oder Spinat dazu, teils mit Vertragsanbauern zusammen. „Aktuell nehmen wir uns auch die Zwiebel vor und investieren in Lager- und Kühltechnik. So können wir vermarkten, wenn die Qualität am höchsten ist“, berichtete der Landwirt. Eine recht große Umstellung war für ihn die Bodenbearbeitung. Nach seinem Studium hatte er vor allem die konservierende Bodenbearbeitung im Fokus. Mittlerweile pflügt er 90 Prozent seiner Gemüseflächen, die Pflanzen seien deutlich anspruchsvoller als herkömmliche Feldfrüchte. Zudem hat er in Beregnungstechnik investiert.
Für uns ist der Weinanbau in Niedersachsen auch Antwort auf den Klimawandel.“
In ein komplett anderes Fach ist Jan Brinkmann aus Niedersachsen gewechselt: Ein Radiobericht hatte seinem Vater 2018 „den Floh ins Ohr gesetzt“, auf den ersten beiden Steillagen am Teutoburger Wald Wein anzubauen. Der junge Fachschulabsolvent war damals direkt begeistert und die Familie beschloss, professionell in das Geschäft einzusteigen. „Ich hatte gar keine Erfahrungen im Weinbau und auch noch nie etwas mit Dauerkulturen zu tun. Das war eine große Umstellung“, schilderte Brinkmann, der bis dato vor allem Muttersauen gehalten hatte. Er hat sich im Austausch mit erfahrenen Winzern an das Thema herangewagt. „Für uns ist der Weinanbau auch Antwort auf den Klimawandel.“ Er gab aber auch zu, an einigen Stellen den Arbeitsaufwand zunächst unterschätzt zu haben. Auch über Rückschläge, beispielsweise ausgelöst durch Spätfröste, sowie über bürokratische Hürden berichtete der Jungwinzer. Bei der Lese werden Brinkmanns von zahlreichen Freiwilligen unterstützt, der Ausbau zum fertigen Wein läuft in einem Betrieb in einem klassischen Anbaugebiet. Ihren Wein vertreiben die Brinkmanns über einen Onlineshop und ab Hof.
Mehr Schwein, weniger Wertschöpfung
Vom Acker ging es gedanklich in den Schweinestall – und zwar in den von Nadja und Hermann Poppen aus Aurich, Ostfriesland. 2016 hat das Ehepaar den Familienbetrieb übernommen, 2019 von der konventionellen Haltung auf Bioschweine im geschlossenen System umgestellt. Im neu gebauten Abferkelstall haben alte Schweinerassen, z. B. Deutsche Sattelschweine, Angler Sattelschweine, kroatische Turpolje oder schwedische Linderöds, 15 bis 17 qm Platz pro Sau; den Freilauf nutzen sie bei jedem Wetter. Ein Teil der Schweine wird über die Bioland-Erzeugergemeinschaft vermarktet. Pro Woche werden zudem zwei Tiere geschlachtet für den Verkauf im Hofladen und über einen kleinen Imbisswagen.
„Wir wünschen uns, dass die Schweinehaltung wieder ein besseres Image bekommt. Dazu bieten wir Hofführungen an und setzen auf Social Media. Unser Eber etwa, Graf Bobby von Sonnenschein, hat einen eigenen Instagram-Kanal mit knapp 4.500 Followern. Er ist unser „Öffentlichkeitsschwein“ für den Hof, aber auch für die Landwirtschaft“, sagten Hermann und Nadja Poppen auf der Bühne. Langfristig wollen sie die Vermarktung der schwedischen Linderöd-Schweine und die soziale Landwirtschaft ausbauen. Menschen mit Beeinträchtigungen wollen sie die Möglichkeit geben, teilzuhaben und auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zu arbeiten. Bereits heute gibt es einige Arbeitsplätze für die Menschen.
Sonne, Mist und Wasserstoff: Grüne Energie vom Feld
Im Anschluss kamen drei Landwirte zu Wort, die intensiv im Bereich der Erneuerbaren Energie tätig sind. Statt die Schweinemast auszubauen, hat sich etwa der Münsterländer Sebastian Bröker bereits bei Hofübernahme entschieden, Biogas zu erzeugen. 2005 baute er zusammen mit seinem Vater die erste Anlage auf Maisbasis mit 210 kW, die er im Laufe der Jahre weiter ausbaute. „Biogas war wirtschaftlich die richtige Entscheidung“, sagte er. 2021 entstand der Plan, zusammen mit zwei benachbarten Betrieben neu in die Erzeugung von Biomethan einzusteigen. „Die Voraussetzungen dafür sind bei uns günstig: Alle drei Betriebe hatten bereits eine klassische Biogasanlage, sie liegen insgesamt nur wenige Kilometer entfernt und der Dritte sogar in unmittelbarer Nähe einer Gaspipeline. Das ist der ideale Standort für die gemeinsame Gasaufbereitung.“ Die drei Anlagen vergären hauptsächlich Festmist. Ein Anteil Gülle sorgt für die nötige Viskosität. Den Mist kauft Bröker in der Region zu (anfänglich für 30 Euro die Tonne, heute für knapp 10 Euro). Das erste Gas speisten die drei Nachbarn im März dieses Jahres ins Netz. Die drei Gründer hatten bei den Planungen deutliche Einkünfte aus Treibhausgas-Minderungszertifikaten einkalkuliert. Bröker sprach offen darüber, dass dieser Zweig durch den zwischenzeitlichen Preisverfall der Zertifikate unter Druck geraten sei.
Nachhaltige Kreisläufe begeistern mich.“
„Ich bin Bauer geworden, weil ich es immer wollte und habe unseren Hof mit 45 ha früh übernommen“, führte Hubert Loick aus Dorsten im Kreis Recklinghausen aus. „Ich habe dann aber bald gemerkt, dass ich zusätzlich Unternehmer sein möchte.“ Der Landwirt stieg in die Produktion von Verpackungsmaterial auf Maisbasis ein und entwickelte daraus auch eine gefärbte Version als Spielmais. Bis heute ist er von nachhaltigen Kreisläufen begeistert und baute noch vor dem EEG eine Biogasanlage, um die Energie in der Verarbeitung der Maisprodukte zu nutzen. Nach und nach arbeitete er sich immer weiter in die Themen ein. Heute betreibt die Loick AG u. a. bundesweit 40 Biogasanlagen, Solarparks sowie erste Elektrolyseanlagen und große Batteriespeicher. Immer im Fokus steht für Hubert Loick die Effizienz. So hat er beispielsweise im Umfeld von Biogasanlagen Aquakulturen, die Wärme aus den BHKWs nutzen. Den Sauerstoff speist er aus den Elektrolyseanlagen ein. Den Wasserstoff vermarktet er u. a. an die Industrie. Der Unternehmergeist des gelernten Landwirts wurde auf der Bühne förmlich greifbar.
Die Energie der Sonne nutzen: Franz Obermayer aus Kirchweihdach, Oberbayern, führt einen Biobetrieb mit angeschlossener Mühle im Nebenerwerb. Auch für ihn spielt die Effizienz bei den Erneuerbaren eine große Rolle. Deshalb kombinierte er seine Solardachanlagen bereits vor 15 Jahren mit Batteriespeichern. Zudem kaufte er schon früh E-Fahrzeuge, um den eigenen Strom neben der Mühle auch für die Mobilität zu nutzen. Seit einiger Zeit setzt der IT-Unternehmer auch auf Agri-PV: Auf seinem Acker stehen heute senkrechte Module im Abstand von zwölf Metern. Sein Tipp, um für Akzeptanz in der Bevölkerung zu sorgen: „Wir gehen mit unseren Projekten immer so transparent wie möglich um.“
Die Landgarnele: Delikatessen aus Hessen
Ein mutiger Schritt: 2014 kam bei Sven und Christine Damm aus Niedenstein, Hessen, die Idee auf, den Schweinemastbetrieb der Familie komplett umzustellen. Künftig würden sie vor allem Garnelen vermarkten. Sven Damm erzählte auf der Bühne: „Im Studium bin ich auf den Bereich Aquakultur aufmerksam geworden. Bei der Garnele bin ich schließlich hängengeblieben, weil das Produkt spannend ist: Sie erfreut sich einer unheimlichen Beliebtheit und hat als Importware ein sehr schlechtes Image.“
Gedacht, gemacht: Heute stehen auf dem Hof vier Vorzucht- und neun Mastbecken für Garnelen. Entscheidend für ein gutes Wachstum der Tiere sind u. a. die hohe Qualität des Salzwassers und eine konstante Temperatur von 30 Grad. Dazu nutzen Damms die Wärme aus der Biogasanlage auf dem Hof. Das Futter, das nahezu 1 eins zu 1 verwertet werden kann, stammt aus Frankreich. Bis die Tiere marktreif sind und ca. 25 g wiegen, vergehen rund drei Monate. Dann verkauft das Ehepaar sie direkt ab Anlage, über den eigenen Onlineshop, an die Gastronomie im näheren und weiteren Umkreis sowie an REWE-Fischtheken. Derzeit denken Damms über einen zweiten Standort nach und wollen auch andere interessierte Landwirte beraten.
Kuhwohl, Milch und Haferdrink: So passt alles unter einen Hut
„2018 haben wir den Betrieb von Thomas Eltern gepachtet“, sagte Milchviehhalterin Kathrin Stadler aus Miesbach bei Irschenberg in der anschließenden Gesprächsrunde. „Auch weil die Diskussionen rund um Anbindehaltung anhielten und wir uns nicht immer wieder sagen lassen wollten, dass wir unsere Tiere nicht gut behandeln würden, haben wir umgestellt.“ Heute hält das Ehepaar 70 Milchkühe im neuen Tierwohlstall, überwiegend aus Holz aus dem eigenen Wald. Technik wie ein Melkroboter, ein automatischer Futteranschieber und ein Güllesaugroboter für die planbefestigten Laufflächen sorgen für mehr Flexibilität. Das schätzt vor allem Kathrin Stadler, die sich um die Tiere kümmert, während ihr Mann Thomas das eigene Viehhandelsgeschäft leitet. „Landwirtschaft ist unsere Zukunft“, sagten Stadlers, „unsere vier Söhne brennen ebenso sehr für die Branche.“
Henning Fockenbrock, Biolandwirt und Milchviehhalter aus dem Münsterland, berichtete begeistert von seinem neusten Projekt: der Ährenbrüder GmbH mit seinen beiden Geschwistern, die regionalen Haferdrink herstellt. „Auch wenn mancher Berufskollege schon die Nase gerümpft hat – wir wollen die regionale Landwirtschaft am veganen Markt teilhaben lassen“, erklärte Henning Fockenbrock, der außerdem die Vorteile der Kreislaufwirtschaft hervorhob. Denn die Hafer-Reststoffe, genannt Haferpülpe, verfüttern die Fockenbrocks wieder an die Tiere. Wichtig sei den Brüdern, durch ihr Marketing-Konzept aufzufallen und in den Köpfen zu bleiben. Schließlich müssten sich Landwirte mehr mit den Märkten beschäftigen und wissen, „was die Leute da draußen wollen“. Ziel sei es, noch weitere Betriebe in der Region zu gewinnen, um mehr Hafer anzubauen.
Johann Lafer: „Ich finde es unverschämt, dass der Bauer für seine Milch nichts bekommt“
Vom Bauernsohn zum Sternekoch: Gegen Ende der Veranstaltung ließ der Koch, TV-Star und Autor Johann Lafer das Publikum sehr humorvoll an den verschiedenen Stationen seines Werdegangs teilhaben. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Unternehmer machte klar: „Mit dem, was ich mache, dem Kochen, bin ich von den Menschen abhängig, die ich hier gehört habe.“ Und: „Ich sage immer: Das Produkt ist der Star. Aus einem schlechten Lebensmittel kann ich nichts Gutes machen.“ Unverschämt finde er, dass der Bauer für seine Milch nichts bekomme, nur weil die Lebensmittelmärkte sich gegenseitig Konkurrenz machen wollen. Es gehe nicht mehr ums Produkt, sondern nur um den Deckungsbeitrag. Der Applaus der Landwirtinnen und Landwirte im Saal zeigte, dass Lafer ihnen aus der Seele sprach.