top agrar: Ihr Start-up MicroHarvest nutzt Fermentation, um alternative Proteine herzustellen. Wie funktioniert das?
Julian Schildknecht, MicroHarvest: MicroHarvest produziert hochwertiges Protein durch natürliche Fermentation. Wir nutzen Mikroorganismen, ähnlich wie man es von der Produktion von Wein, Käse, Kimchi oder Bier kennt. Aber wir verwerten Nebenströme aus der Landwirtschaft und wandeln sie in hochverdauliches, nährstoffreiches Protein um.
Genauer gesagt ist unser Endprodukt ein hochkonzentriertes Proteinpulver mit über 60% Protein sowie essenziellen Aminosäuren, Vitaminen und Mineralien.
Die Herausforderung ist aus unserer Sicht diese: Protein ist essenziell für eine gesunde Ernährung. Doch der weltweite Bedarf wird bis 2050 um 50% steigen. Bereits heute belasten traditionelle Proteinquellen unseren Planeten erheblich. Alternative Proteine wiederum sind oft schwer skalierbar, geschmacklich herausfordernd oder haben nicht die Nährwerte von Fleisch. Gleichzeitig wächst der Druck, sich unabhängiger von globalisierten Lieferketten zu machen und verstärkt auf lokale Produktion zu setzen.
Daher wollen wir die Proteinproduktion mit natürlicher Fermentation revolutionieren. Ähnlich wie beim Brauen von Bier oder der Herstellung von Joghurt nutzen wir Mikroorganismen – die effizientesten Proteinproduzenten der Natur. Das Ergebnis ist ein gesundes und nachhaltiges Protein, das unabhängig von Bodenqualität oder Klima, rund um die Uhr und mit minimalem Ressourcenaufwand produziert werden kann. Im Vergleich zur herkömmlichen Proteinproduktion sparen wir über 95% CO₂-Emissionen, Wasser und Landfläche.
Growth Alliance Networking Summit 2025 (GANS25)
Das Start-up MicroHarvest wird zu Gast auf dem GANS25 sein.
Auf Einladung der Landwirtschaftlichen Rentenbank und des Frankfurter TechQuartiers versammelt das GANS25 Experten und Expertinnen aus Landwirtschaft, Politik, Medien, Start-ups, Wirtschaft und Wissenschaft, um zentrale Herausforderungen der Branche zu analysieren, innovative Ideen zu präsentieren und nachhaltige Lösungsansätze für eine zukunftsorientierte Land- und Ernährungswirtschaft zu erarbeiten.
Weitere Infos zur Veranstaltung finden Sie auf der Website hier. top agrar ist offizieller Medienpartner der Veranstaltung. Daher können die top agrar-Leser mit dem Code TOP-AGRAR rabattierte Tickets erwerben.
top agrar: Welche Funktionalitäten bringen die Proteine mit?
Schildknecht: Unser Protein findet Einsatz in der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette, da es mehrere Vorteile kombiniert. Es bietet optimale Nährwerte mit einer hohen Verdaulichkeit. Es enthält essenzielle Aminosäuren, Vitamine und Mineralien in einer Form, die der Körper effizient verwerten kann. Zweitens lässt es sich aufgrund des milden Umami-Geschmacks für vielseitige Anwendungen nutzen.
Nicht zuletzt ist es hypoallergen und gut verträglich. Da es frei von bekannten Allergenen ist, eignet es sich zur Ernährung sensibler Menschen und Tiere.
top agrar: Welche Mikroorganismen setzen Sie ein?
Schildknecht: Wir nutzen speziell ausgewählte, nicht gentechnisch veränderte Bakterien, die sich durch extrem schnelles Wachstum und eine hohe Proteinproduktion auszeichnen. Diese Mikroorganismen sind aus der Natur und sicher für den Verzehr.
Mögliche Nebenströme: Zuckerrübenmelasse oder Fasern
top agrar: Welche Nebenströme nutzen Sie?
Schildknecht: Wir haben eine sogenannte Substratflexibilität und können unterschiedliche Nebenströme aus der Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung einsetzen. Das sind beispielsweise Zuckerrübenmelasse, stärkehaltige Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung oder Fasern. Diese Rohstoffe sind regional verfügbar und ermöglichen eine dezentrale Produktion.
top agrar: Welche Mengen können Sie verarbeiten? Wie ist das Verhältnis zwischen Input und Output?
Schildknecht: Das genaue Mengenverhältnis hängt von der Konzentration des Rohmaterials ab. Wir sind nah an der biologisch maximalen Umsetzung von Kohlenhydraten zu Proteinen. Über 60% des Endprodukts besteht aus hochverdaulichem Protein. Und: Der Prozess dauert weniger als 24 Stunden. Keine andere Fermentationstechnologie ist schneller.
Bietet Fermentation von alternativen Proteinen Chancen für Landwirte?
top agrar: Wo könnten Chancen für die heimische Landwirtschaft liegen?
Schildknecht: Landwirtinnen und Landwirte können auf verschiedene Weise von unserer Technologie profitieren: Sie könnten agrarische Reststoffe liefern, die als Nährsubstrate für die Mikroorganismen genutzt werden. Denkbar ist durch die skalierbare Technologie auch, dass Produktionsstandorte in landwirtschaftlichen Regionen angesiedelt werden und damit eine dezentrale Produktion möglich ist. Nicht zuletzt könnten die Proteine als hochwertige und lokal produzierte Futtermittelalternative beispielsweise in Aquakulturen dienen.
top agrar: Benötigt eine Technologie wie Ihre langfristig noch Landwirte?
Schildknecht: Ja! Landwirtschaft bleibt essenziell als Rohstofflieferant für Nebenströme und potenziell für Nährmedien. Unsere Technologie könnte sogar dazu beitragen, bisher ungenutzte landwirtschaftliche Ressourcen wirtschaftlich nutzbar zu machen.
top agrar: Sie sind auf dem GANS25 vertreten: Was erwarten Sie vom Event? Möchten Sie dort auch ins Gespräch mit innovativen Landwirten kommen?
Schildknecht: Das Growth Alliance Networking Summit 2025 (GANS25) ist eine ideale Plattform, um mit führenden Akteuren in den Dialog zu treten. Unser Ziel ist es, langfristige Partnerschaften zu knüpfen und nachhaltige Proteinquellen in bestehende Wertschöpfungsketten zu integrieren. In Bezug auf die Landwirtschaft ist unser Ansatz praxisnah: Wir wollen Lösungen gemeinsam mit der Landwirtschaft entwickeln, nicht an ihr vorbei.