Beitrag ist teilweise zuerst erschienen erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Insgesamt hat sich in der Milchviehhaltung in den vergangenen Jahren viel getan. Aber es gibt noch etliche Baustellen wie bei der Kälbersterblichkeit oder der Anbindehaltung. Das führte Anne Hamester, Expertin für nachhaltige Landwirtschaft bei Greenpeace, in einer Diskussion im Rahmen des Berliner Milchforums in der vergangenen Woche aus.
Immer mehr HF3-zertifiziert Milchkuhbetriebe
Ludwig Börger, Geschäftsführer bei QM-Milch, bestätigte Handlungsbedarf, sagte aber auch: „Grundsätzlich geht es den Milchkühen in Deutschland so gut wie noch nie.“ Positiv sei, dass rund 95 % der deutschen Milchviehhalter am QM-Standard teilnehmen. Der Fokus verschiebe sich immer mehr Richtung Haltungsform 3 (HF3). Aktuell sind 5.800 Milchviehbetriebe nach QM+ (HF2) oder QM++ (HF3) zertifiziert.
Doch für Hamester ist das nicht ausreichend, denn Haltungsformen sind nur für die Milch für den Lebensmittelhandel (LEH) entscheidend: „Aber nur 40 % der Milch gehen an den LEH.“ Der Großteil der Milch sei somit nicht in den höheren Standards.
Hochwald: Aktivisten machten illegal Fotos
Hamester zeigte Fotos aus der Anbindehaltung. Greenpeace möchte das Haltungsverfahren gerne abschaffen, da es tierschutzwidrig sei. Peter Manderfeld, Vorstandsvorsitzender bei Hochwald, kritisierte, wie Hamester an die gezeigten Fotos gelang. Und zwar hätten Aktivisten bei einem über 70-jährigen Milchviehhalter illegal Fotos im Stall gemacht.
Greenpeace hatte im letzten Jahr die Bilder veröffentlicht und Anbindehalter sowie die Molkerei Hochwald an den Pranger gestellt: Greenpeace-Aktivisten erklimmen Molkereisilos in NRW
Hamester dementierte, dass Greenpeace die Bilder erstellt hat, gab aber offen zu: „Wir nutzen die Bilder, die tierschutzwidrige Haltungsbedingungen widerspiegeln, egal wo sie herkommen.“ Ein Landwirt hinterfragte, ob es noch Sinn mache, die Anbindehaltung so in den Fokus zu nehmen, wenn doch nur noch etwa 7 % der Kühe in Anbindung stehen. „Tierwohl liegt viel mehr am Betriebsleiter als an der Haltung“, fügte er hinzu.
Wir nutzen die Bilder, die tierschutzwidrige Haltungsbedingungen widerspiegeln, egal wo sie herkommen.“
Almwirtschaft ohne Kombihaltung – wie geht das?
Thomas Schmidt vom Bayerischen Bauernverband fragte die Greenpeace-Vertreterin, wie aus ihrer Sicht der Weg aus der Kombihaltung (Anbindehaltung plus Weide/Auslauf) gelingen kann und man gleichzeitig die Almwirtschaft erhalte. Anne Hamester räumte ein, dass es immer einen gewissen Anteil Betriebe mit einer Kombihaltung geben werde, für die ein Stallumbau oder ein ganzjährig genutzter Laufhof nicht in Frage kommt. Aus Ihrer Sicht sei dies nur vertretbar für einjährige Rinder, wie beispielsweise Färsenmast, so Hamester: „Das sind dann Systeme mit denen man die Almwirtschaft erhalten kann.“
Tierwohl-Zuschläge transparenter machen?
Der Mehraufwand für Tierwohlaufnahmen müssen Landwirte bezahlt bekommen. "Doch wie werden diese Erlösmöglichkeiten den Milcherzeugern kommuniziert?" fragte Thomas Schmidt an Ludwig Börger gerichtet. Während in der Schlachtbranche die Zuschläge für Tiere der höheren Haltungsformstufen teilweise transparent kommuniziert werden, ist dies bei der Rohmilch weniger der Fall. Bei den HF3-Zuschlägen sei „von 2 bis 4 Cent“ alles dabei, berichtet Ludwig Börger und betont: „Beim HF3-Aufpreis für Rohmilch gibt es Differenz von Molkerei zu Molkerei. Da nehmen wir auch einen Wettbewerb wahr, insbesondere in Bayern.“
Kommunikation weiter verbessern
Zum Abschluss der Diskussionsrunde betonten Hamester und Börger, dass weiter Dialogbereitschaft bestehe. Die Greenpeace-Vertreterin erkannte an, dass sich die Milchbranche um mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit bemühe. Der QM-Milch Geschäftsführer erklärte, dass die Milchbranche diese Bemühungen noch deutlicher kommunizieren müsste: „Aus Sicht eines Verbrauchers kann man schon den Eindruck gewinnen, dass der Haltungswechsel und die Weiterentwicklung der Tierhaltung allein von Aldi und Co. betrieben wird und nicht von den Landwirten und den Molkereien.“