Dieser Kommentar ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Am Sonntag wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Und damit eine Nachfolge für die geplatzte Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP. In Erinnerung bleibt das Dreier-Bündnis durch heftige interne Streitereien. Am Ende war keine Partei mehr bereit, einen Kompromiss einzugehen. In keinem Politikbereich, auch nicht in der Agrarpolitik.
Agrarpolitische Schnittmengen sind gering
Viele hoffen deshalb auf einen politischen Neustart. Allerdings zeichnet sich schon jetzt ab: Sollten CDU/CSU den Auftrag der Regierungsbildung bekommen, stehen schwierige Verhandlungen mit möglichen Koalitionspartnern an. Denn beispielsweise sind die agrarpolitischen Schnittmengen mit SPD sowie Grünen gering. Das zeigt unsere Analyse der Wahlprogramme.
Mehr Übereinstimmung gibt es mit der FDP – allerdings ist offen, ob die Liberalen den Einzug in den Bundestag überhaupt schaffen. Und mit der AfD – aber mit ihr lehnt die Union ein Bündnis ab. Somit zeichnen sich diese Verhandlungslinien möglicher Koalitionäre ab:
Tierhaltung: Den Umbau der Tierhaltung wollen Union, SPD und Grüne ähnlich angehen – mit langfristigen Verträgen und staatlicher Unterstützung. Hier schert die FDP aus und setzt auf eine Marktlösung. Auch sonst gibt es Differenzen: Die Grünen wollen „weniger Tiere besser halten“, CDU/CSU lehnen eine Reduktion der Tierhaltung ab. Die Union will keine Novelle des Tierschutzgesetzes, SPD und Grüne dagegen schon.
Pflanzenschutz: Die Union bekennt sich zum chemisch-synthetischen Pflanzenschutz und will das vom bisherigen Bundesagrarminister Cem Özdemir gestartete „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ wieder abschaffen. Die Grünen wollen hingegen den „Pestizideinsatz bis 2030 EU-weit halbieren“ und stellen eine „Pestizidabgabe“ in Aussicht.
Wolf: Beim Wolf wollen CDU/CSU ein aktives Bestandsmanagement einführen und das Raubtier ins Bundesjagdgesetz aufnehmen. Die Grünen wollen Problemwölfe angehen, sehen den Wolf aber keinesfalls im Jagdrecht. Die SPD schweigt im Wahlprogramm zum Wolf.
Wald: Während sich Union und FDP gegen eine Novelle des Bundeswaldgesetzes positionieren, sind SPD sowie Grüne dafür.
Milchlieferbeziehung: SPD und Grüne wollen den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung anwenden und verbindliche Lieferverträge mit Menge und Preis zwischen Erzeugern und Molkereien vorschreiben. Die FDP ist dagegen, die Union skeptisch.
Damit ist klar: Es wird nach der Wahl dauern, bis eine neue Bundesregierung steht. Und dafür müssen sich die beteiligten Parteien auf Kompromisse einlassen. In allen Politikbereichen, auch der Agrarpolitik. Gelingt das nicht, droht eine ähnliche politische Krise wie im Nachbarland Österreich. Das sollte Mahnung genug sein.