Künstlich hergestellte Fleischerzeugnisse, auch in-vitro oder Laborfleisch genannt, werden künftig auch in Deutschland ihren Markt finden. Die Akzeptanz der Kunden dürfte dabei nicht zum Problem werden - technische und rechtliche Hürden hingegen schon. In diesen Punkten waren sich die Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf dem „Deutschen Fleisch Kongress 2024“ einig, den die dfv Mediengruppe letzte Woche in Mainz ausrichteten. Das berichtete der Nachrichtendienst AgE.
Komplizierte EU-Zulassung und Gegenwind aus Italien und Österreich
Die auf Lebensmittelrecht spezialisierte Rechtsanwältin Dr. Ina Gerstberger verwies auf das in der Europäischen Union sehr komplexe Zulassungsverfahren für Laborfleisch. Aufgrund juristischer Fallstricke seien bislang kaum Zulassungen in der EU beantragt worden.
Wo auf der Welt bereits Laborfleisch gehandelt wird und, in welchen Staaten die Zulassungsverfahren laufen, lesen Sie in untenstehendem top agrar-Artikel:
Hinzu komme laut Gerstberger der zunehmende Gegenwind für Laborfleisch in einigen EU-Staaten wie Italien, das die Herstellung und den Verkauf entsprechender Produkte verboten hat. top agrar berichtete darüber. Auch in Österreich werden mehr und mehr Stimmen laut, die sich gegen das Novel-Food wehren.
Gerstberger empfahl, bereits jetzt umfangreich über die Sicherheit von Laborfleisch aufzuklären, um weitere Verbote zu verhindern. Auch Dr. Werner Motyka von dem Beratungsunternehmen Munich Strategy wertete Laborfleisch als wichtigen Baustein für die Ernährung der Weltbevölkerung. Denn die Menschheit wachse weiter und habe zu großen Teilen immer mehr Appetit auf Fleisch. Die wachsende Nachfrage werde in Zukunft sowohl durch echtes als auch künstliches Fleisch gestillt.
Marketing: „Keine Assoziationen mit Laboren oder Chemiebaukästen hervorrufen"
Sorgen, dass die innovativen Produkte beim Kunden nicht gut ankommen, hat Motyka nicht. Konsumentengewohnheiten veränderten sich schnell. Das habe man bereits bei den Milchersatzprodukten gesehen.
Laut Einschätzung von Christoph Graf, Geschäftsleiter Ware bei Lidl Dienstleistung, wird Laborfleisch für den Kunden attraktiv sein, wenn es lecker und preiswert ist. Außerdem komme es auf ein kluges Marketing an. Dieses dürfe keine Assoziationen mit Laboren oder Chemiebaukästen hervorrufen. Zustimmung dafür kam von Ivo Rzegotta vom „The Good Food Institute Europe“ (GFI), einer Nichtregierungsorganisation zur Förderung von Fleischersatzprodukten.
Chancen für in-vitro Technologien im Ausland
Außerdem sieht Rzegotta in Laborfleisch eine Chance für Maschinen- und Zusatzstoffehersteller in Deutschland, und zwar auch dann, wenn die neue Technologie wegen der langen Zulassungsverfahren in der EU nicht Fuß fassen sollte. Dann könnten deutsche Unternehmen Technik und Rohstoffe an Produzenten etwa in Israel liefern. Hier ist die Vermarktung seit Anfang 2024 bereits erlaubt.
Wichtig sei aber, zügig zu handeln. Denn bereits in den nächsten drei bis vier Jahren werde sich entscheiden, wer Player auf dem Markt für Laborfleisch werde.