Viele agrarpolitische Projekte waren in der Ampel ohnehin nicht mehr bis zum Ende der Legislaturperiode übriggeblieben. Zuletzt hatten sich insbesondere die Grünen und die FDP kaum noch auf Gemeinsamkeiten für die Zukunft der Landwirtschaft einigen können.
Prioritäten der Scholz-Regierung
Bei der Verkündung der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner und seinen FDP-Ministerkollegen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vier Projekte aufgezählt, die er in den verbleibenden Sitzungswochen bis Weihnachten zu Ende bringen will, um dann die Vertrauensfrage zu stellen und Neuwahlen auszurufen. Scholz nannte diese Schwerpunkte:
Steuerliche Entlastungen bei der Einkommensteuer
Ein Rentenpaket
Sofortmaßnahmen für die Industrie
Hilfen für die Ukraine
Das wichtigste offene Projekt der nun übrig gebliebenen Rumpfregierung ist zudem der Bundeshaushalt 2025. Würde der Bundestag aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt, käme das politische Handeln mit einem Schlag zum Erliegen. Der Bundeshaushalt 2025 könnte dann nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet werden.
Agrarpolitik nicht unter den Schwerpunkten
Agrarpolitik ist erwartungsgemäß bei den übrig gebliebenen Schwerpunkten nicht dabei. Zudem waren die agrarpolitischen Erfolge der Ampel zuletzt ohnehin überschaubar geblieben. Selbst wenn es die Minderheitsregierung jetzt noch zu Vorlagen schaffen sollte, müssten sie im Bundestag eine Mehrheit finden. Das ist unwahrscheinlich. Folgende Vorhaben könnten damit vorerst Geschichte sein:
Tierhaltungskennzeichen:
Es ist eines der wenigen agrarpolitischen Neuerungen der Ampel: Das verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichen. Bisher nur für Schweinefleisch und auch nur für die Mast eingeführt, wollte das Bundeslandwirtschaftsministerium das Kennzeichen eigentlich noch zumindest auf Rindfleisch ausdehnen und auch in der Gastronomie einführen.
Tierschutzgesetz:
Die Novelle des Tierschutzgesetzes wartete eigentlich noch im Bundestag auf die abschließende Beratung. Umstritten sind darin in der Landwirtschaft vor allem die Neuregelungen für die Anbindehaltung von Rindern, die ganzjährig in zehn Jahren untersagt sein soll. Für die Kombihaltung mit Weide im Sommer sollte es Ausnahmen geben. Diese gingen Betrieben in Süddeutschland nicht weit genug. Zudem hatte die FDP-Widerstand gegen die geplante Betäubungspflicht für das Enthornen angekündigt.
Düngegesetz und Stoffstrombilanz:
Weil der Bundesrat die Neufassung des Düngegesetzes und die Ausweitung der Stoffstrombilanz abgelehnt hat, sollte es für das Düngerecht eigentlich eine Lösung im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag geben. Einen Termin dafür hat es aber bisher nie gegeben. Mit dem Bruch der Ampel ist dieser auch kaum noch vorstellbar. Die Bundesregierung hatte argumentiert, dass nur mit dem Monitoring von Nährstoffflüssen und einer Stoffstrombilanz künftig Ausnahmen bei den restriktiven Düngemaßnahmen in den Roten Gebieten möglich sind. Sollte dazu jetzt keine Entscheidung fallen, würden die Ausnahmen in noch weitere Ferne rücken.
Höfeordnung:
Die neue Höfeordnung soll zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Vor dem Ampel-Bruch waren die eigentlich sicheren Änderungen in der Höfeordnung noch nicht in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beschlossen. Auch wenn die Ampel jetzt keine Mehrheit mehr hat, so gibt es zu dem Vorhaben in den anderen Fraktionen kaum Widerstand und es ist mehrheitsfähig. Mitte November muss zudem der Bundesrat noch zustimmen. Die neue Höfeordnung regelt eine höhere gesetzliche Abfindung und gibt Erleichterungen beim Abzug der Altschulden. Außerdem wird die Hofeigenschaft neu definiert.
Pauschalierung:
Bisher sollte noch vermutlich am 22. November der Bundesrat über das Jahressteuergesetz entscheiden. Für die Landwirte ging es dabei insbesondere um die geplante Absenkung der Vorsteuerpauschale von 9,0 auf 8,4 % noch im laufenden Kalenderjahr. Der Bauernverband und andere Organisationen kritisieren das scharf und hatten beispielsweise die von CDU und CSU geführten Länder aufgefordert, das Gesetz noch zu stoppen. Das hat nun eine weitere Dynamik bekommen. Deshalb ist jetzt auch beim Jahressteuergesetz offen, wie es kommen wird.
Verbindliche Milchverträge:
Mit der Umsetzung des Paragrafen 148 der Gemeinsamen Marktordnung wollte die Bundesregierung verbindliche Milchlieferverträge mit der Angabe von Menge und Preis zwischen Erzeugern und Molkereien vorschreiben. Doch das Projekt hatte es wegen der Unstimmigkeiten in der Ampel nicht in das Agrarpaket geschafft. Die Verbände aus der Milchbranche waren ohnehin gespalten, ob das mehr Milchgeld auf die Höfe bringt. Der Gesetzentwurf dazu, der seit Monaten in der Ressortabstimmung fest hing, dürfte jetzt wohl endgültig tot sein.
Weideprämie:
Mit dem Agrarpaket hatte der Bundesrat im September auch dem Ampel-Projekt Weideprämie für Milchkühe sowie einer weiteren Öko-Regelung für die Biodiversität zugestimmt. Beides sollte ab 2026 in Kraft treten. Es fehlen dafür aber noch die nötigen Verordnungstexte, die noch vom Bundeskabinett verabschiedet werden müssten. Die beiden Förderungen stehen damit unter Vorbehalt.
Zukunftsprogramm Pflanzenschutz:
Das von Cem Özdemir im September vorgestellte Zukunftsproramm Pflanzenschutz zielt insbesondere auf die Halbierung des chemischen Pflanzenschutzes bis 2030. Das wollte der Minister vor allem mit freiwilligen Maßnahmen und möglichst wenig Ordnungsrecht umsetzen. Fachverbände und Praktiker waren allerdings von Anfang an skeptisch, ob die Reduzierung des Mitteleinsatzes ganz ohne Zwang abgehen würde.
Biogasstrategie:
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte im Sommer mit der Ankündigung einer Biogasstrategie den Betreibern von Biogasanlagen doch noch Hoffnung gemacht, eine bessere Perspektive im Energiemix für ihre bald abgeschriebenen Anlagen zu erhalten. Doch danach war es dann wieder ruhig geworden bei dem Thema. Jetzt sollte es eigentlich im November zu konkreten Vorschlägen kommen, über die sich Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium einigen wollten.
Bundeswaldgesetz:
Für eine Novelle des Bundeswaldgesetz hat das Landwirtschaftsministerium seine Entwürfe immer wieder geändert. Den Waldbesitzenden geht die Eimischung in die Bewirtschaftung und Walderneuerung immer noch zu weit, zuletzt hofften sie, das Bundeswaldgesetz noch ganz zu Fall bringen zu können. Das wird jetzt vermutlich so kommen, da es zum Bundeswaldgesetz noch nicht einmal einen geeinten Kabinettsbeschluss gab.